Auswahl an Publikationen, deren Veröffentlichung von Zeitlehren bezuschusst werden konnten:
Kausch, Christine, "Zuflucht auf Zeit. Juden aus Deutschland in den Niederlanden 1933-1945."
Wallstein Verlag 2024
Die Niederlande waren für deutsche Juden während des Nationalsozialismus ein Land der Hoffnung, eines neuen Alltags, der enttäuschten Erwartungen und der erneuten Verfolgung.
Die antisemitische Politik des "Dritten Reiches" veranlasste in den 1930er Jahren Hunderttausende Juden zur Flucht aus Deutschland. Zu den ersten Exilländern gehörten die benachbarten Niederlande, wo die meisten jedoch nur eine Zuflucht auf Zeit fanden. Der Aufbau einer neuen Existenz gestaltete sich oftmals schwierig. Viele zogen weiter. Diejenigen aber, die diesen Schritt nicht gehen konnten oder wollten, waren nach dem Einmarsch der Wehrmacht im Mai 1940 erneut der nationalsozialistischen Verfolgung ausgeliefert. Tausende wurden in den folgenden Jahren deportiert und ermordet.
Christine Kausch nimmt das Leben der jüdischen Flüchtlinge in den Jahren 1933 bis 1945 in den Blick und analysiert auf Basis hunderter Egodokumente sowie zahlreicher weiterer Quellen die individuellen und kollektiven Erfahrungen der Geflüchteten. Die Autorin untersucht, wie die Menschen im Nachbarland aufgenommen wurden, wie sie die erneute Verfolgung erlebten und wie sie auf die jeweiligen Umstände reagierten. Die Studie bietet damit einen wichtigen Beitrag zur jüdischen, niederländischen und deutschan Geschichte.
(Text: Wallstein Verlag)
Obermair, Robert, "Oswald Menghin. Science and Politics in the Age of Extremes."
De Gruyter 2024
The fundamental idea of this book is to show - based on the example of Oswald Menghin, Minister of Education of the National Socialist Austrian "Anschluss"-government, and the networks surrounding him - how science and politics were interwoven in Austria in the first half of the 20th century and how the ideas and networks created in that milieu outlasted the alleged caesurae of this period and found continuation in post-war South America. As Menghin traversed an astonishing number of political upheavals an changes - time after time in exalted positions -, his biography may be considered as paradigmatic for the Age of Extremes.
(Text: De Gruyter)
Dewey, Anne, "Gerecht und fair? Die Empfehlungspraxis des österreichischen Kunstrückgabebeirats im Lichte der Washingtoner Prinzipien."
De Gruyter 2024
Die Washingtoner Prinzipien von 1998 rufen zu "gerechten und fairen Lösungen" im Umgang mit NS-Raubkunst auf. Zeitgleich hat Österreich als einziger europäischer Staat ein eigenes Kunstrückgabegesetz verabschiedet, auf dessen Grundlage der Kunstrückgabebeirat eine umfassende Empfehlungs-praxis entwickelt hat. Auch in Deutschland werden Stimmen nach einer gesetzlichen Lösung lauter. Der Praxis des Kunstrückgabebeirats wird dabei oftmals eine Vorbildfunktion zugeschrieben. Doch stellt sie tatsächlich die geforderte "gerechte und faire Lösung" dar? Die Autorin entwickelt erstmals eine umfassende Systematisierung dieser Praxis, unterzieht sie einer kritischen Analyse im Lichte der Washingtoner Prinzipien und schafft damit eine unverzichtbare Vergleichsperspektive für die deutsche Restitutions-debatte.
(Text: DeGruyter)
Laumer, Angelika, "Am Horizont. Kinder von NS-Zwangsarbeiter_innen und das alltägliche Erinnern und Vergessen in der deutschen ländlichen Gesellschaft"
Beltz 2023
Wieso ist Wissen zu NS-Zwangsarbeit in einer ländlichen Gegend, wo Nachkommen ehemaliger Zwangsarbeiter_innen leben, gleichzeitig an- und abwesend? Basierend auf Interviews mit ihnen sowie mit Nachkommen von Zwangsarbeiter-Profiteur_innen wird gezeigt, wie ineinander verflochtenes gesellschaftliches Erinnern und Vergessen vonstattengehen. Dafür modifiziert die Autorin Konzepte von kollektivem Gedächtnis, um diese für die ländliche Gesellschaft fruchtbar zu machen. Der Fokus liegt dabei auf Mündlichkeit, Alltäglichkeit und sozialer Struktur. Damit liefert das Buch einen Beitrag zu dem Memory Studies.
(Text: Beltz)
Kracht, Isgard, "Inszeniert und instrumentalisiert. Expressionismus im Nationalsozialismus. Ernst Barlach, Franz Marc, Emil Nolde"
De Gruyter 2023
Der als "entartet" beschlagnahmte und seither verschollene Turm der blauen Pferde Franz Marcs, Emil Noldes "Ungemalte Bilder" aus der Zeit seines Berufsverbots oder Ernst Barlachs entfernte, z.T. zerstörte Ehrenmale sind Werke dreier Hauptvertreter des Expressionismus, die sich als Symbole für nationalsozialistische Kunstverfolgung in die deutsche Kulturgeschichte eingeschrieben haben. Die Kunst Barlachs, Marcs und Noldes wurde jedoch nicht nur auf das Heftigste diffamiert, sondern auch als "deutsch" gefeiert, geschützt oder rehabilitiert. Mit ihrem quellenreichen Einblick in die Museums-, Ausstellungs- und Publikationspraxis zwischen 1933 und 1945 legt Isgard Kracht Mechanismen wie Mythen der NS-Kunstpolitik offen und erzählt die Geschichte von Verehrung und Verfemung des Expressionimus im "Dritten Reich" neu.
(Text: De Gruyter)
Rabuza, Nina, "Verräumlichte Erinnerung. Die Grenzen der Darstellung nationalsozialistischer Gewalt am Modell der KZ-Gedenkstätte Dachau"
Campus Verlag 2023
KZ-Gedenkstätten haben einen Doppelcharakter: Sie sind einerseits unumstößliche Beweise der nationalsozialistischen Verbrechen, andererseits tritt in ihnen die Vergangenheit nicht offen zutage. Die Erinnerung, das Gedenken und die Aufklärung der Verbrechen sind angewiesen auf die Darstellung der Vergangenheit durch Landschaftsgestaltung, Denkmäler, Ausstellungen und die Inszenierung der Spuren.
Ausgehend von dieser Beobachtung analysiert Nina Rabuza am Beispiel der Gedenkstätte Dachau die historischen Darstellungsgeschichten der national-sozialistischen Gewalt und diskutiert, wo diese Darstellung an ihre Grenzen stößt. Hierzu bezieht sie sich unter anderem auf philosophische Überlegungen Hannah Arendts, Theodor W. Adornos und Walter Benjamins.
(Text: Campus Verlag)
Timm, Julian, "Der erzählte Antisemitismus. Das Narrativ der 'Jüdischen Weltverschwörung' von seinen literarischen Ursrprüngen bis Heute"
Wallstein Verlag 2023
Lange Zeit haben Forschung und öffentlicher Diskurs die Vorstellung von einer Jüdischen Weltverschwörung an der vermeintlichen Glaubwürdigkeit der sogenannten 'Protokolle der Weisen von Zion' festgemacht. Dabei ist längst bekannt, dass auch die gefälschten 'Protokolle' auf ältere Texte zurückgehen. Einer dieser Texte ist John Retcliffes 'Auf dem Judenkirchhof in Prag' (1868), in dem sich - anders als in den 'Protokollen' - fiktive Elemente ausmachen lassen, die bis heute die Vorstellung von einer Jüdischen Weltverschwörung konstituieren.
Aus literaturwissenschaftlicher Perspektive zeigt Julian Timm die Kontinuitäten des Narrativs der Jüdischen Weltverschwörung von seinen literarischen Anfängen im 19. Jahrhundert über Michael Endes 'Wunschpunsch' (1989) bis zu Umberto Ecos 'Der Friedhof in Prag' (2010) auf und legt so dar, wie bis heute antisemitische Fiktionen - bewusst oder unbewusst und über die Literatur hinaus - reproduziert werden und wie ein vormals literarisches Narrativ in verschwörungsaffinen Kreisen wiederholt und zur Legitimationserzählung für antisemitische und rassistische Gewalttaten wird.
(Text: Wallstein Verlag)
Open Access Version hier verfügbar
Knopp, Sonja, "Zeugnisse erlittener Gewalt. Die Shoah im Videointerview"
Wallstein Verlag 2023
Videointerviews mit Shoah-Überlebenden zeugen von Erfahrungen massiver erlittener Gewalt und liegen zu Zehntausenden vor. Die im Video sicht- und hörbaren Mitteilungen sind vielfach von traumatischer Auslöschung bis hin zu vollständiger Sprachlosigkeit geprägt. Als Pilotstudie zur Erschließung dieser noch neuen Quellengattung für die historische Forschung zeigt die Arbeit anhand eines ausgewählten Videointerviews, wie mithilfe eines interdisziplinär gespeisten Instrumentariums eine Re-Integration von unerhörten, unsichtbaren, auch unbewussten Mitteilungen von Gewalt in die Geschichtsschreibung gelingen kann. Der mikrohistorische Ansatz widmet sich dem Videozeugnis Shmuel B.s, der die Shoah als jüdisches Kind zwischen 1941 und 1944 im Grenzland zwischen Rumänien und der Ukraine er- und überlebte und fortan lebenslang hospitalisiert an schwersten psychischen Versehrungen litt. Er gehört zu einer bisher vielfach marginalisierten und vergessenen Opfergruppe.
(Text: Wallstein Verlag)
Kröger, Philipp, "Das vermessene Volk. Nationalitätenstatistik und Bevölkerungspolitik in Deutschlands östlichen Grenzländern 1860-1945."
Wallstein Verlag 2023
Die Nationalitätenstatistik veränderte ab der Mitte des 19. Jahrhunderts nicht nur die Vorstellungen davon, was eine Nation sei, sondern auch Praktiken und Politiken, die sich auf diese Vorstellungen bezogen. Lag an ihrem Beginn die Idee, die offenen Fragen des deutschen Nationaldiskurses nach ethnopolitischen Zugehörigkeiten und Grenzziehungen zu beantworten, wurde sie um 1900 zur wichtigen symbolischen Ressource deutscher Nationalismen. Die Techniken des Erfassens und Kartierens übersetzten das Nationale zudem in eine schalt- und verwaltbare Tatsache staatlicher Ethnopolitik. Zusehends in den Fokus gerieten die östlichen Grenzländer des Deutschen Reichs. Der Autor untersucht die Quantifizierung des Nationalen von den 1860er- bis in die 1940er Jahre. Über einen Zeitraum von rund 80 Jahren suchten Statistiker nach Wegen, die ethnopolitischen Kategorien von Volk, Nation und 'Rasse' in statistische Daten zu übersetzen. Zugleich wurde die Nationalitätenstatistik während des deutschen Zugriffs auf das östliche Europa in beiden Weltkriegen zu einer bevölkerungspolitischen Technologie, die ethnische 'Säuberungen' nicht nur denk-, sondern auch umsetzbar machte.
(Text: Wallstein Verlag)
Die Studie wurde mit dem Förderpreis der Gesellschaft für Geschichte der Wissenschaften, der Medizin und der Technik ausgezeichnet.
Pomplun, Jan-Philipp, Deutsche Freikorps. Sozialgeschichte und Kontinuitäten (para)militärischer Gewalt zwischen Weltkrieg, Revolution und Nationalsozialismus.
Vandenhoeck & Ruprecht Verlage 2022
Mit der systematischen Auswertung bislang wenig beachteter Quellen zu süddeutschen Freikorps liefert der Autor erstmals ein profundes und detailliertes Sozialprofil dieser Einheiten, die so entscheidend die Gewalt des Nachkrieges und damit die Geschichte der Weimarer Republik geprägt haben. Die umfangreichen sozialhistorischen Daten ermöglichen eine Überprüfung gängiger und lange Zeit tradierter Forschungsthesen zu Herkunft, Motivation und Radikalisierung der Paramilitärs sowie eine Analyse personeller Kontinuitäten hin zu NSDAP, SA und SS und damit einen Blick auf die Bedeutung der Freikorps für die Genese der maßgeblichen NS-Herrschaftsorganisationen. Dieser Beitrag zur Frühgeschichte der Weimarer Republik wie auch zur Geschichte des Nationalsozialismus zeigt, dass alte Gewissheiten, die nicht selten einer ideologischen Geschichtsschreibung oder der Selbsthistorisierung ehemaliger Freikorpskämpfer entstammen, deutlicher Korrekturen bedürfen.
(Text: Vandenhoeck & Ruprecht Verlage)
Klotz, Anne-Christin, "Gemeinsam gegen Deutschland. Warschaus jiddische Presse im Kampf gegen den Nationalsoziaismus (1930-1941)"
De Gruyter 2022
Polnische Juden stellten nicht nur die größte Gruppe unter den Opfern des Holocaust, in den 1930er Jahren hatte auch kein Land Europas mehr jüdische Einwohner und einen vielfältigeren Printmarkt als Polen. Die Studie trägt zu einem Paradigmenwechsel bei, der diese Tatsachen stärker berücksichtigt, indem er den Blick von Ost nach West richtet und die polnischen Juden nicht länger als monolithischen Block passiver Opfer begreift, sondern als handelnde Subjekte, die den Antisemitismus, der sie bedrohte, aktiv bekämpften. Aufbauend auf einer Analyse der Berichterstattung der jiddischen Warschauer Tagespresse über Nationalsozialismus und Judenverfolgung legt sie die Netzwerke der jüdischen Zeitungsmacher frei und zeigt, wie diese sich trotz Zensur und Repression subversives Wissen aneigneten, es ihrem Publikum vermittelten und so die Vorstellungswelten polnischer Juden über Deutschland prägten sowie Protest- und Solidaritätsaktionen zugunsten der Verfolgten initiierten.
(Text: De Gruyter Verlag)
Hertz, Helge-Fabien, "Evangelische Kirchen im Nationalsozialismus. Kollektivbiografische Untersuchung der schleswig-holsteinischen Pastorenschaft"
De Gruyter 2022
Die Stellung der evangelischen Kirchen im "Dritten Reich" wird bis heute sehr kontrovers diskutiert. Wie lässt sich deren Verhältnis zum Nationalsozialismus adäquat erfassen? Am Fallbeispiel Schleswig-Holsteins erfolgt nun in drei Teilbänden erstmals eine empirische und differenzierte Positionsbestimmung aller 729 Geistlichen einer Landeskirche. Dazu wird der Blick über den innerkirchlichen "Kampf" zwischen der Bekennenden Kirche (BK) und den Deutschen Christen (DC) hinaus auf das Verhältnis der Pastorenschaft zu Staat und NS-Bewegung geweitet. Die Zusammen-führung von Kirchengeschichte und NS-Forschung zeigt, wie stark Kreuz und Hakenkreuz miteinander verschmolzen. Obgleich die Geistlichen ein breites Spektrum an Positionierungen aufweisen, dominierten NS-Kollaboration und NS-Zustimmung deutlich. In der NSDAP, ihren Organisationen und Verbänden arbeiteten Pastoren tatkräftig mit. Auch im Raum der Kirche verbanden etliche Theologen Christentum und Nationalsozialismus, NS-Ideologie und christliche Lehre aufs Engste miteinander. Dies gilt sowohl für die Anhänger der Deutschen Christen als auch für zahlreiche Pastoren der Bekennenden Kirche. Deren Eintreten für die kirchliche Autonomie ging vielfach mit aktiver NS-Kollaboration im NS-Staat einher. Darin bestand kein Widerspruch. Nicht zuletzt aufgrund dieser quellenbasierten Neubewertung des "Kirchenkampfes" ist die evangelische Kirche als NS-herrschaftsbereitender Faktor einzuordnen, viel mehr denn als Störmoment. Dabei boten gerade die Kirchen im NS-Staat einen beachtlichen Handlungsspielraum, den die Geistlichen überwiegend ungenutzt ließen: Nur sehr wenige leisteten Widerstand oder wurden Opfer.
(Text: De Gruyter Verlag)
Ausgezeichnet mit dem Preis der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 2022, dem Preis der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-universität zu Kiel für die beste Dissertation 2021 und dem Sonderdigitalisierungspreis des Landes Schleswig-Holstein 2022 für das "Pastorenverzeichnis Schleswig-Holstein"
Düben Ann Katrin, "Die Emslandlager in den Erinnerungskulturen 1945-2011. Akteure, Deutungen und Formen"
Vandenhoeck und Ruprecht Verlage 2022
Die bundesdeutsche Gedenkstättenlandschaft gilt heute als Vorbild einer gelungenen Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit. Wie Gedenkstätten an ehemaligen Tatorten aus jahrzehntelangen Aushandlungen um die Deutung der NS-Verbrechen und ihrer Opfer hervorgegangen sind, zeichnet die vorliegende Fallstudie nach. Anhand der Ortsgeschichten der Emslandlager wird Erinnerungskultur als ein gesellschaftlicher Prozess verstanden, der in den jeweiligen Zeitkontexten betrachtet wird. Die Studie widmet sich dabei den Akteuren, die um die Erinnerung an die Emslandlager zwischen 1945 und 2011 stritten, und legt einen Schwerpunkt auf die überlebenden Moorsoldaten. Diese kämpften in Zeiten des Kalten Krieges hartnäckig gegen die Widerstände konservativer Lokal- und Landespolitiker und indifferenter Zeitge-nossen um die Anerkennung ihres Schicksals.
(Text: Vandenhoeck und Ruprecht Verlage)
Ulbricht, Josephine, "Das Vermögen der 'Reichsfeinde'. Staatliche Finanzverwaltung und Gegnerverfolgung im nationalsozialistischen Deutschland"
DeGruyter 2022
Die staatliche Finanzverwaltung war fest eingebunden in die fiskalische Verfolgung von "Reichsfeinden". Dabei legalisierte sie nicht nur den Vermögensraub, sondern bildete einen integralen und aktiven Bestandteil des nationalsozialistischen Verfolgungsapparates.
Josephine Ulbricht liefert mit ihrer Studie erstmals einen Gesamtüberblick über den Zugriff auf das Vermögen von deportierten Sinti und Roma, ausgebürgerten Emigranten, katholischen Einrichtungen sowie von politischen Gegnern und den Widerständlern aus dem Kreis der "Roten Kapelle" und des "20. Juli". Sie zeigt auf, wie sich stufenweise juristische Grundlagen und administrative Verfahren im Bereich der Vermögenseinziehung herausbildeten und welche Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Verfolgtengruppen bestanden.
Auf einer breiten Quellengrundlage wird zudem das Netzwerk der an den Konfiskationsvorgängen beteiligten Institutionen von Staat und Partei analysiert und der spezifische Anteil der staatlichen Finanzverwaltung an der fiskalischen Gegnerverfolgung ausgelotet. Deutlich wird dabei, dass die Reichsfinanzverwaltung eine bedeutende Schnittstelle zwischen den verfolgten "Reichsfeinden", den verschiedenen NS-Machtzentren und der Bevölkerung bildete.
(Text: DeGruyter Oldenbourg Verlag)
Baumgärtner, Katja S., "Das Konzentrationslager Ravensbrück im Film. Gender, Imagination und Memorialisierung."
Metropol Verlag 2022
Filme über die Schoah und die Lager gehören zur pluralen Nachgeschichte der nationalsozialistischen Verbrechen. Katja S. Baumgärtner diskutiert in einem geschlechtersensiblen Close-Reading-Verfahren weitgehend unbekannte Filme über das KZ-Ravensbrück, die nach 1945 im internationalen Kontext entstanden sind.
"Die exzellente Studie ist ein Gewinn für das gut besetzte Forschungsfeld zu Ravensbrück, das seit 1993 mit zahlreichen Themen besät wurde. Dabei lag das Medium Film bislang völlig brach. Nun hat sich diese Brache, um in der agraren Terminologie zu bleiben, in einen fruchtbaren Boden bzw. auch in eine blühende Landschaft verwandelt."
Prof. Dr. Sigrid Jacobeit, 1992-2005 Leiterin der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück
"Das Buch bietet ein vorbildliches Kompendium an Ravensbrück-Filmen und schließt damit eine große Forschungslücke. Die Autorin leitet den Blick auf Aspekte der Holocaust-, Film- und Geschlechterforschung, die bisher unberücksichtigt blieben, und ermöglicht in der Zusammenführung Vergleiche zwischen den Memorialkulturen verschiedener Regionen, Epochen und Medien."
Prof. Dr. Christina von Braun, Selma Stern Zentrum für Jüdische Studien Berlin-Brandenburg
(Text: Metropol Verlag)
Peaceman, Hannah, "Die Dialektik der Emanzipation. Das Potential jüdischer Perspektiven für die politische Philosophie der Gegenwart"
Klostermann 2021
In der politischen Philosophie nach der Shoah sind jüdische Perspektiven abwesend. Der allgegenwärtige Topos der jüdisch-christlichen Tradition verdeckt den historischen Ausschluss von Jüd*innen und Judentum aus Philosophie und Gesellschaft. Ausgehend von dieser Diagnose schlägt die Untersuchung eine Erneuerung jüdischer Perspektiven vor. Dafür wird die Erkenntnis- und Gesellschaftskritik des Vereins für Cultur und Wissenschaft der Juden (1819-1824) rekonstruiert. Diese zielte auf die gleichzeitige Überwindung von innerjüdischen Machtverhältnissen und gesamtgesellschaftlicher Dominanz der christlichen Mehrheit. Als Modell einer theorie- und gesellschafts-verändernden Praxis soll diese Kritik Anregungen für politisch-philosophische Debatten der Gegenwart geben.
(Text: Verlag Klostermann)
Schuch, Daniel, "Transformationen der Zeugenschaft. Von David P. Boders frühen Audiointerviews zur Wiederbefragung als Holocaust Testimony"
Wallstein Verlag 2021
Was können wir aus den Erzählungen von Holocaust-Überlebenden lernen und warum erwarten wir von ihnen moralische Botschaften als Lehre aus den NS-Verbrechen? Diesen Fragen geht Daniel Schuch anhand von detaillierten Interviewanalysen nach. Den Ausgangspunkt bildet das bis heute kaum rezipierte Interviewprojekt von David P. Boder. Der lettisch-amerikanische Psychologe zeichnete bereits 1946 erstmals Stimmen von Überlebenden der NS-Verfolgung auf Tonband auf. Die Erzählungen dienten ihm als Forschungsmaterial, um die traumatischen Auswirkungen der Extremerfahrung zu analysieren. Boders Interviews gerieten in Vergessenheit. Jahrzehnte später erlebten Videointerviews mit Zeugen der NS-Verbrechen einen wahren Boom. Einige Personen, die Boder 1946 befragt hatte, wurden jeweils erneut in den 1990er und 2000er Jahren als Zeitzeugen interviewt. Durch den Vergleich von fünf jüdischen Überlebenden, die zu verschiedenen Zeitpunkten befragt wurden, lassen sich deutliche Transformationsprozesse der Zeugenschaft aufzeigen. Daniel Schuch analysiert Kontinuität und Wandel im Wiedererzählen der Überlebenden sowie die Auswirkungen von veränderten Erwartungshaltungen des jeweiligen Gegenübers.
(Text: Wallstein Verlag)
Becker, Kristina, "Die Mentalität der Tätergesellschaft. Argumentation und Antisemitismus in der NS-Zeitung Der Stürmer"
Verlag Königshausen und Neumann 2021
"Die Juden sind unser Unglück!" - mit diesem Slogan wirbt der Stürmer von 1923-1945 wöchentlich für seine Weltanschauung. Und seine Thesen fallen durchaus auf fruchtbaren Boden: Die Jahrtausende alte Tradition der Judenfeindschaft, die sich lediglich je nach gesellschaftlicher, politischer Situation ein neues Gewand überstreift, sowie der kärgliche Widerstand gegen die breite Zustimmung zu und die rege Beteiligung an antisemitischen Aktionen während des Nationalsozialismus, die schließlich in der industriellen Vernichtung der Juden mündeten, zeigen dies deutlich. Unwillkürlich fragt man sich, ob es überhaupt möglich war, von nichts gewusst zu haben. Und geht es bei der Frage nicht eigentlich immer auch darum, wer mit dem Gewussten einverstanden oder zumindest nicht dagegen war, also darum, über welche Fragen, Erkenntnisse und Gewissheiten (weitgehend) Konsens herrschte? Anhand des bekanntesten antisemitischen Propagandablattes der NS-Zeit wird dieser Konsens linguistisch analysiert und die Mentalität (von großen Teilen) der NS-Tätergesellschaft, die "Stürmer-Mentalität" nachgezeichnet. Die Studie gibt Antworten auf die Fragen, wie sich eine nationalsozialistisch gesinnte Sprechergemeinschaft ihre Realität konstruiert und wie ihr geschlossenes antisemitisches Weltbild im Einzelnen "funktioniert".
(Text: Verlag Könighausen und Neumann)
Tanja Kinzel "Im Fokus der Kamera. Fotografien aus dem Getto Lodz"
Metropol Verlag 2021
Aus dem Getto Lodz ist eine außergewöhnliche Vielfalt fotografischer Aufnahmen überliefert: Militärs, Polizisten, Funktionäre und Zivilisten hielten mit der Kamera ihre Arbeit und ihren Blick auf die jüdische Bevölkerung fest. Jüdische Fotografen fertigten im Auftrag des "Judenrats" Passbilder und dokumentierten Lebensbedingungen, Einrichtungen und Arbeitsstätten. Zudem nutzten sie das Material, um im Geheimen unter anderem auch Deportationen zu fotografieren.
Tanja Kinzel kontextualisiert die fotografischen Bestände und analysiert die Perspektiven der Fotografierenden. Dieser Fokus erlaubt es, das Bild von Tätern wie auch von Verfolgten zu diffenrenzieren - und Letztere als Akteurinnen und Akteure in der Lebenswelt des Gettos zu zeigen.
(Text: Metropol Verlag)
Johannes Spohr "Die Ukraine 1943/44. Loyalitäten und Gewalt im Kontext der Kriegswende"
Metropol Verlag 2021
Im Kontext der Rückzüge der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg wurde die Ukraine abermals zum Schauplatz von Massengewalt. Die spezifischen Pläne und Dynamiken der späten Phase des Vernichtungskrieges gegen die Sowjetunion bedeuteten Raub, Verschleppung, Mord und Zerstörung. Johannes Spohr zeichnet nach, wie sich die deutsche Besatzung im "Generalbezirk Shitomir" unter dem Eindruck der Kriegswende entwickelte und wie sie sich auf unterschiedliche Teile der Bevölkerung auswirkte, wie sie wahrgenommen und bewertet wurde, welche Verhaltenspräferenzen sich unter den veränderten Bedingungen ab 1943 herausbildeten. Von der NS-Besatzung Betroffene treten dabei als AkteurInnen ihrer eigenen Geschichten in Erscheinung.
(Text: Metropol Verlag)
Maximilian Strnad, "Privileg Mischehe? Handlungsräume 'jüdisch versippter' Familien 1933-1949"
Wallstein Verlag 2021
Über 11.000 deutsche Juden überlebten den Holocaust, weil sie mit einem nichtjüdischen Partner verheiratet wwaren. Auf Grund ihrer familialen Verbindung zur "Volksgemeinschaft" nahm das NS-Regime sie von zentralen Verfolgungsmaß-nahmen, Deportation und Vernichtung aus. Im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten galten sie daher als "privilegiert". Dennoch war die Mischehe keine Garantie für ein Überleben. Vor allem lokale Behörden gingen immer radikaler gegen die Mischehen vor. Viele Betroffene verloren dadurch nicht nur ihre Existenzgrundlage, sondern of auch Freiheit und Leben.
Im Zentrum von Maximilian Strnads Studie stehen die Handlungsräume der verschiedenen Familienmitglieder. Der Autor zeigt, wir unterschiedlcih sich die Verfolgung in den Familien jüdischer Männer und Frauen auswirkte. Deutlich werden die gravierenden Konsequenzen für die Ehepartner und Kinder. Dennoch verfügten sie über Handlungsspielräume, die sie zu Gunsten der Familie einsetzten. Strnad weitet den Blick auch auf die Zeit nach 1945. Er beschreibt die Ernüchterung der Überlebenden, die das Stigma der "Privilegierung" nicht ablegen konnten und die deshalb kaum Anerkennung und Unterstützung fanden.
(Text: Wallstein Verlag)
Layla Zami, "Contemporary PerforMemory. Dancing through Spacetime, Historical Trauma, and Diaspora in the 21st Century"
Transcript Verlag 2020
Contemporary PerforMemory looks at dance works created in the 21st century by choreographers identifying as Afro-European, Jewish, Black, Palestinian, and Taiwanese-Chinese-American. It explores how contemporary dance-makers engage with historical traumas such as the Shoah and Maafa to reimagine how the past is remembered and how the future is anticipated. The new idea of perforMemory arises within a lively blend of interdisciplinary theory, interviews, performance analysis, and personal storytelling. Scholar and artist Layla Zami traces unexpected pathways, inviting the reader to move gracefully across disciplines, geographies, and histories.
Featuring insightful interviews with seven international artists: Oxana Chi, Zufit Simon, André M. Zachery, Chantal Loïal, Wan-Chao Chang, Farah Saleh, and Christiane Emmanuel.
(Text: Transcript Verlag)
Leonhard Birnbacher, "Arbeit an der Erfahrung. Zum deutschen Weg aus der kriegsgesellschaftlichen Moderne 1943-1949"
Verlag Velbrück Wissenschaft 2020
Anders als in Frankreich oder England, wo der Erste Weltkrieg die entscheidende Zäsur für die zivilgesellschaftliche Transformation darstellt, ist es in Deutschland der Zweite Weltkrieg, der zu einem grundlegenden Struktur- und Mentalitätswandel führt. Erst an seinem Ende bricht die deutsche Gesellschaft mit den Mobilisierungssystemen des Heroismus und Bellizismus und durch seinen Ausgang beginnt erst die deutsche Gesellschaft, jenes Selbstverständnis zu entwickeln, das uneingeschränkt auf Zivilität, Integration und Kooperation ausgerichtet ist. Die vorliegende Untersuchung rekonstruiert, wie es der von Kriegs- und Gewalterfahrung geprägten deutschen Gesellschaft nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gelingt, diese Erfahrung zu verarbeiten. Das Ende des Zweiten Weltkriegs ist kein statisch fixierter Wendepunkt in der Geschichte des modernen Deutschlands, sondern eine eigenständige Übergangsphase, in der
die deutsche Gesellschaft sich sukzessiv von den Erfahrungen des Krieges löst und ihr ziviles Selbstverständnis zu entwickeln beginnt.
Methodisch-konzeptionell operiert die Untersuchung mit einem erweiterten Erfahrungsverständnis, das darin nicht nur das Abbild subjektiver Wirklichkeit sieht, sondern Erfahrung als eine Wissenskategorie behandelt, die sich in Abhängigkeit zu ihrer soziokulturellen Umgebung auch ändern oder anpassen kann. Mit diesem erfahrungstheoretischen Zugriff gelingt es dem Autor aufzuzeigen, dass die Kriegs- und Gewalterfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg weniger verdrängt als vielmehr diskursiv neu gerahmt und auf diesem Weg bewältigt wurden. Das für die kriegsgesellschaftliche Moderne charakteristische Bild von der sakrifiziellen Aufopferung verschwindet hierbei, während sich ein viktimes Sinnsystem zu entwickeln beginnt. Letzteres ermöglicht die narrative Bewältigung der Kriegsgewalt, entzieht dem Krieg aber ebenso die kulturelle Grundlage.
(Text: Velbrück Wissenschaft)
Dominique Schröder " 'Niemand ist fähig das alles in Worten auszudrücken'. Tagebuchschreiben in nationalsozialistischen Konzentrationslagern 1939-1945"
Wallstein Verlag 2020
Trotz schwierigster Umstände gelang es einer überraschend hohen Zahl von Insassen nationalsozialistischer Konzentra-tionslager, heimlich Tagebuch zu führen. Auf der Basis von ca. 50 deutschen, französischen, niederländischen und polnischen Texten von als "jüdisch" oder "politisch" Inhaftierten fragt diese Arbeit erstmals danach, wie die Diaristen ihrem "Alltag" im Lager sprachlich begegneten und welche Funktionen das Schreiben eines Tagebuchs in diesem Kontext erfüllte.
Im Gegensatz zu retrospektiv verfassten Texten bieten Tagebücher einen unmittelbaren Einblick in die Lebenswelt unterschiedlicher Opfergruppen im Lager. Dominique Schröder stellt dabei nicht was, sondern vor allem wie und warum die Insassen schrieben in den Fokus. Deutlich werden In- und Exklusionsmechanismen, Subjektivierungsformen und die Erfahrung und Artikulation von Zeit und Raum im Lager. Und schließlich wirft die Auseinandersetzung mit der Praxis des Tagebuchschreibens auch ein neues Licht auf die Frage nach der Unsagbarkeit des Holocaust.
(Text: Wallstein Verlag)
Anikó Boros "Die Ermordung ungarischer Juden 1944 in Pusztavám. Zeugenschaft und Erinnerung im transnationalen Kontext"
Verlag Herder-Institut 2020
In dem hauptsächlich von Ungarndeutschen bewohnten Dorf Pusztavám wurden am 16. Oktober 1944 über 200 jüdische Arbeitsdienstler am Rande des Dorfes ermordet. Die Aufklärung des Geschehens und die Erinnerung an den Massenmord waren und sind bis heute umkämpft, wurden manipuliert und instrumentalisiert. Der transnationale Charakter des Ereignisses, die verschiedenartigen Verstrickungen und der unklare Status der mit dem Massenmord befassten Institu-tionen in mehreren Ländern erschwerten die Ermittlungen und die Aufarbeitung seitens der Geschichtsforschung.
Die Studie analysiert aus gedächtnistheoretischer Perspektive über zweihundert Zeugnisse, tausende Seiten Dokumente und hunderte Aufsätze, Zeitungen und Erinnerungsorte im Lichte der Zeugenschaft. Die disziplinübergreifende Zugangsweise nimmt den historischen Gegenstand in seiner Komplexität in den Blick ud zeigt zugleich Reflexionen und Erkenntnisse für das kulturwissenschaftliche Konzept der "Zeugenschaft" auf.
Die Studie legt dar, wie weit die als juristisches Beweis-mittel eingesetzte Zeugenschaft durch diverse Faktoren beeinflusst wird und wie die Divergenz und zugleich Konkurrenz der Zeugenstimmen Auskunft über die dem Zeugnis immanente Gegenwartsverbundenheit geben und wie diese multidirektionale Einflussnahme in der Analyse berücksichtigt werden kann.
Die Arbeit wurde mit dem Humboldt-Preis in der Kategorie "Judentum und Antisemitismus" ausgezeichnet.
(Text: Verlag Herder-Institut)
Hanne Leßau "Entnazifizierungsgeschichten. Die Auseinandersetzung mit der eigenen NS-Vergangenheit in der frühen Nachkriegszeit"
Wallstein Verlag 2020
Über die Entnazifizierung scheint das Urteil längst gesprochen: In Öffentlichkeit und Forschung gilt sie als missglückter Versuch einer frühen Vergangenheitsbe-wältigung, der vor allem an Täuschung und Vertuschung durch die betroffenen Deutschen scheiterte. Hanne Leßau zeigt, warum diese Einschätzung zu kurz greift. Gestützt auf Tagebücher, Notizzettel, Briefe und Zeitungsartikel sowie auf die Verfahrensakten macht sie eindrücklich sichtbar, dass die politische Überprüfung eine intensivere und ernsthaftere Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit im Nationalsozialismus anstieß, als wir heute vermuten. Ihr genauer Blick auf das Agieren der Deutschen in den komplexen Prüfbüro-kratien legt frei, dass viele versuchten ohne Schaden durch die Entnazifizierung zu kommen. Dabei ent-wickelten die zu Prüfenden neue Deutungen der eigenen NS-Vergangenheit, die für sie selbst ebenso glaubhaft sein mussten wie für andere. Ein erhellender Blick auf die Entnazifizierung und das Verhalten der Deutschen in den ersten Nachkriegsjahren, mit dem sich zentrale Fragen nach dem Übergang von der NS-Diktatur zur Bundesrepublik neu stellen.
(Text: Wallstein Verlag)
Paul Vehse, "Zur Ordnung der Anerkennung. Eine Rekonstruktion von Legitimationsmustern in der Gedenkstättenpädagogik"
Springer VS 2020
Paul Vehse untersucht Anerkennungsproblematiken, die in der Gedenkstättenpädagogik im Bestreben um ein anerkennendes Gedenken an die Verfolgten des Nationalsozialismus entstehen. In der mit Judith Butler fundierten Studie werden die von Axel Honneth formulierten Anerkennungsformen analytisch gewendet und in zwei ausführlichen Fall-studien die Anerkennungsstrategien der pädagogischen Mitarbeiter rekonstruiert. Die Ausschlüsse und Hierarchisie-rungen, die diese Strategien produzieren, werden vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Anerkennungsordnung eingeordnet und diskutiert. Die Studie liefert einen Beitrag zur Analyse von Anerkennung und formuliert Implikationen für die Gedenkstättenpädagogik.
(Text: Springer VS)
Stephanie Born, "'Die Weltgeschichte aus den Fugen?' Paul Celans kritische Poetik und Martin Heideggers Seins-Philosophie nach den Schwarzen Heften"
Königshausen und Neumann 2019
Müssen Paul Celans Poetik und Poetologie nach der Veröffentlichung von Martin Heideggers Schwarzen Heften einer Neubewertung unterzogen werden? Die seit 2014/15 herausgegebenen Schwarzen Hefte lassen keinen Zweifel: Heideggers Parteinahme für den Nationalsozialismus und die Seins-Philosophie sind unmittelbar miteinander verstrickt und auch sein Antisemitismus gilt nun als belegt. Dies ist nicht ohne Konsequenzen für die Heidegger-Forschung geblieben, aber auch für das Verhältnis Celan-Heidegger ergibt sich daraus ein ganz neuer Bezugsrahmen. Die Studie untersucht erstmals das Verhältnis zwischen Celan und Heidegger vor dem Hintergrund der Schwarzen Hefte. Die vieldiskutierten Dichotomien von Dichter und Denker, Jude und Deutscher, Opfer und Täter erweitert sie um einen Blick auf die gesellschaftlichen und politischen Diskurse, die nach 1945 den Umgang mit der NS-Vergangenheit bestimmen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Celan den Widersprüchen, Dissonanzen und Mängeln in Heideggers Seins-Philosophie nachgespürt hat - und gewinnt so einen ganz neuen Zugang zu dessen Poetik.
(Text: Königshausen & Neumann)
Steffen Klävers, "Decolonizing Auschwitz? Komparativ-postkoloniale Ansätze in der Holocaustforschung" De Gruyter Oldenbourg 2019
Die Holocaustforschung ist in den vergangenen Jahren um Ansätze ergänzt worden, die als komparativ-postkolonial beschrieben werden können. Sie untersuchen die Geschichte von Nationalsozialismus und Holocaust aus der Perspektive einer postkolonialtheoretisch geschulten vergleichenden Genozidforschung. Eine grundlegende Überzeugung dieser Ansätze ist, dass der Nationalsozialismus nur adäquat verstanden werden kann, wenn man ihn in Bezug zur europäischen, speziell deutschen, Kolonialgeschichte setzt. Dabei würden sich strukturelle und ideologische Parallelen und Gemeinsam-keiten aufzeigen, die die Forschung bisher ignoriert habe. Steffen Klävers untersucht in seiner Studie, welches heuristische Potential solcherlei Zugänge für die NS- und Holocaustforschung besitzen. Dabei geht er einerseits auf historische, aber auch erinnerungskulturelle und modernitätstheoretische Ansätze ein. Er rekonstruiert die Argumentationstechniken dieser Ansätze kritisch und problematisiert Punkte, an denen sie mit zentralen Erkenntnissen der NS- und Holocaustforschung brechen.
(Text: De Gruyter)
Florian Schubert, "Antisemitismus im Fußball. Tradition und Tabubruch"
Wallstein Verlag 2019
Fußball wird von Millionen von Menschen in Deutschland gespielt, von noch mehr Fans im Stadion oder am Bildschirm verfolgt. Fußball ist ein kulturelles Ereignis - und gleichzeitig ein Bereich, in dem Diskriminiserung und besonders Antisemitismus noch immer gegenwärtig sind, so der Autor Florian Schubert. Mit antisemitischen Stereotypen werden seit jeher gegnerische Spieler, Fans und auch Schiedsrichter diskreditiert, unabhängig davon, ob es sich um Juden handelt oder nicht.
Florian Schubert eruiert, in welcher Form und in welchen Kontexten Antisemitismus im Fußball seit den 1980er Jahren in der BRD und in der DDR auftaucht und wie er fußballintern bewertet wird. Er unteruscht die Funktion antisemitischen Verhaltens bei Fans, Spielern und Vereinsverantwortlichen - von Nationalmannschaft und DFB bis hin zu regionalen Vereinen. Am Ende steht die Frage, ob das Stadion in Bezug auf diskriminierendes Verhalten eine Sonderstellung ein-nimmt oder als Brennglas gesellschaftlicher Probleme gesehen werden kann.
(Text: Wallstein)
Markus Nesselrodt, "Dem Holocaust entkommen. Polnische Juden in der Sowjetunion, 1939-45"
De Gruyter Oldenbourg 2019
Über 230.00 polnische Juden überlebten den Zweiten Weltkrieg im Inneren der Sowjetunion. Viele waren der national-sozialistischen Verfolgung durch rechtzeitige Flucht auf sowjetisches Territorium entkommen. Andere wurden gegen ihren Willen von der sowjetischen Geheimpolizei in das Landesinnere der Sowjetunion verschleppt, wo sie in abgelegenen Siedlungen unter schwierigen Lebensbedingungen Zwangsarbeit verrichteten. Die Mehrheit der polnischen Juden hatte sich allerdings im Rahmen der Evakuierung sowjetischer Staatsbürger 1941-1942 aus den Frontgebieten in den Südern der UdSSR durchgeschlagen. Dort hielten sich die meisten polnisch-jüdischen Exilanten bis zur Rückkehr nach Polen im Jahre 1946 auf.
Die Studie untersucht Erfahrungen polnischer Juden im Zeitraum von 1939 bis 1946. Der Fokus liegt dabei auf den Jahren in den zentralasiatischen Sowjetrepubliken, wo hunderttausende polnische Juden täglich um ihr Überleden als Fremde in einem von Krieg, Armut und politischem Terror gezeichneten Land kämpfen mussten. Ihre Geschichte an der "Peripherie des Holocaust" (Yehuda Bauer) erweitert den Horizont jüdischer Erfahrungen im Zweiten Weltkrieg um die Erlebnisse im sowjetischen Exil.
(Text: De Gruyter)
Franziska Jahn, "Das KZ Riga-Kaiserwald und seine Außenlager 1943-1944. Strukturen und Entwicklungen" Metropol Verlag 2018
"So schrecklich wie es war, so viele Tag werden wir noch daran zurückdenken. Wer weiß, was uns jetzt wieder bevorsteht", schrieb Lore Oppenheimer am Tag ihrer Überstellung aus dem Rigaer Ghetto in das wenige Kilometer entfernte KZ Riga-Kaiserwald. Die Auflösung der Ghettos und die Errichtung von Konzentrations-lagern im deutsch besetzten Baltikum stellten seit Frühjahr 1943 eine erneute Radikalisierung der NS-Judenpolitik dar und waren ein weiterer Schritt zur Vernichtung der dort inhaftierten Jüdinnen und Juden. Die Studie rekonstruiert erstmals die Strukturen und Entwicklungen des KZ Riga-Kaiserwald und seiner Außenlager und gibt umfassende Einblicke in die Lebenswelt seiner Häftlinge.
(Text: Metropol Verlag)
Sebastian Schönemann; "Symbolbilder des Holocaust. Fotografien der Vernichtung im sozialen Gedächtnis" Campus Verlag 2019
Die Erinnerungskultur an den Holocaust befindet sich im Umbruch. Nur noch wenige Überlebende können von ihren Erfahrungen berichten, und schon heute ist das kollektive Gedächtnis im hohen Maße medial vermittelt. Im Zuge dieses Wandels nehmen Bilder an gesellschaftlicher Bedeutung weiter zu. Doch obwohl die gedächtnisbildende Macht von Bildern außer Frage steht, ist über ihre soziale Wirkung bislang kaum etwas bekannt. In seiner Studie untersucht Sebastian Schönemann die Formen medialen Erinnerns empirisch: Wie erinnern wir uns an den Holocaust über Bilder und wie prägen sie das soziale Gedächtnis? Anhand vergleichender Fallanalysen werden dabei nicht nur die Wirkungsweisen der Symbolbilder, sondern auch ihr sozialer Sinn aufgezeigt.
(Text: Campus Verlag)
Dana Ionescu, "Judenbilder in der deutschen Beschneidungskontroverse", Nomos 2018
(Text: Nomos Verlag)
Matthias J. Becker, "Analogien der 'Vergangenheitsbewältigung'", Nomos 2018
Dieser Band beschäftigt sich mit der Frage, wie israelbezogener Antisemitismus im Online-Kommentarbereich von Qualitätsmedien sprachlich vermittelt wird. Hierfür wurde eine korpuslinguistische Analyse von mehr als 6.000 Leserkommentaren auf den Webseiten der linksliberalen Zeitungen "Die Zeit" und "The Guardian" vorgenommen. Der Fokus lag auf der sprachlichen Beschaffenheit jener Äußerungen, mit welchen Israel einerseits mit NS-Deutschland, andererseits mit Großbritannien während der Ära des Kolonialismus verglichen wird, und welche kommunikativen Funktionen diese Vergleiche innerhalb beider Diskurse potenziell erfüllen. Aus der Neubewertung historischer Szenarien, die eine Identifikation mit der nationalen Wir-Gruppe erschweren, kann kollektive Entlastung folgen. Diese Phänomene sind vor dem Hintergrund erkennbarer Rationalisierungstendenzen (nicht nur) in Großbritannien und Deutschland einzuordnen, die auch vor den hier untersuchten milieuspezifischen Diskursen nicht Halt zu machen scheinen.
(Text: Nomos Verlag)
Felix Bohr, "Die Kriegsverbrecherlobby. Bundesdeutsche Hilfe für im Ausland inhaftierte NS-Täter", Suhrkamp Verlag 2018
Unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg waren in zahlreichen westeuropäischen Ländern NS-Kriegsverbrecher inhaftiert. Im Zuge der Westbindung der Bundesrepublik wurden die meisten von ihnen entlassen. Lediglich in Italien und den Niederlanden verblieben insgesamt fünf Deutsche im Gefängnis: der SS-Mann Herbert Kappler, als Kommandeur der Sicherheitspolizei verantwortlich für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen, sowie die "Vier von Breda", die maßgeblich an der Ermordung der niederländischen Juden beteiligt gewesen waren. Hochrangige deutsche Politiker, unter ihnen die Bundeskanzler Brandt und Schmidt, setzten sich für ihre Freilassung ein.
Felix Bohr zeichnet das westdeutsche Engagement für die im Ausland inhaftierten NS-Täter nach. Er zeigt, wie sich aus Netzwerken von Kirchenverbänden, Veteranenvereinigungen und Diplomaten eine einflussreiche Interessenvertretung formierte, die rechtliche und materielle Hilfe leistete. Während Opfer des NS-Regimes um gesellschaftliche Anerkennung und Entschädigung kämpften, organisierte die Lobby Unterstützung für die Kriegsverbrecher auf höchster politischer Ebene. Auf der Grundlage bislang mitunter nicht zugänglicher Quellen wirft Bohr einen umfassenden Blick auf ein bisher kaum bekanntes Kapitel bundesdeutscher Vergangenheitspolitik.
(Text: Suhrkamp Verlag)
Rezension von Knud von Harbou in der Süddeutschen Zeitung vom 8. Oktober 2018
Martin Clemens Winter , "Gewalt und Erinnerung im ländlichen Raum. Die deutsche Bevölkerung und die Todesmärsche", Metropol Verlag 2018
Die Todesmärsche aus den Konzentrationslagern kurz vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs waren das letzte nationalsozialistische Gesellschaftsverbrechen. Martin Clemens Winter stellt die Rolle der deutschen Bevölkerung bei den Räumungstransporten in den Mittelpunkt seiner Studie, die sich auf zahlreiche neu erschlossene Quellen aus internationalen Archiven stützt. Dabei untersucht er nicht nur den ländlichen Raum, die maßgeblichen Akteure und typische Situationen während der Todesmärsche, sondern auch die Nachgeschichte dieser Massenverbrechen vor der Haustür: die juristische Ahndung durch alliierte und deutsche Behörden, die Suche nach den Opfern sowie Formen der Erinnerung in der DDR und in der Bundesrepublik.
(Text: Metropol Verlag)
- augezeichnet mit dem Stanislav-Zámecník-Preis des Comité International de Dauchau -
Rezension von Barbara Distel in der Süddeutschen Zeitung vom 30. September 2018
Christina Isabel Brüning, "Holocaust Education in der heterogenen Gesellschaft. Eine Studie zum Einsatz videographierter Zeugnisse von Überlebenden der nationalsozialistischen Genozide im Unterricht", Wochenschau Wissenschaft 2018
Dem erinnerungskulturellen Umgang mit dem Holocaust steht ein tiefgreifender Wandel bevor: Wenn die letzten Überlebenden in den nächsten Jahren sterben, geht die Erinnerung vom kommunikativen in das kulturelle Gedächtnis über. Zugleich wird die sich erinnernde Gesellschaft immer heterogener, und die Schüler_innen gehören inzwischen vollständig zur Generation der digital natives. Online-Archive mit videographierten Interviews bieten angesichts dieser Entwicklungen scheinbar eine Zukunftsperspektive für den Unterricht.
Die didaktischen Herausforderungen, die der Einsatz von videographierten Zeitzeug_inneninterviews aufwirft, sind dabei vielfältig. Die vorliegende Studie ist die erste im Bereich der historisch-politischen Bildung, die empirisch abgesicherte Befunde zu den relevanten Fragen liefert: Kann die in der Theoriebildung zu digitalisierten Zeugnissen behauptete 'Begegnung' mit den Überlebenden auf dem Bidlschirm tatsächlich festgestellt werden? Sind die in der Theorie benannten 'Immersionseffekte' der Interviews für die unterrichtliche Praxis nutzbar zu machen? Welche 'eigen-sinnigen Sinnbildungen' nehmen Lernende in der Arbeit mit den lebensgeschichtlichen Narrativen vor?Wo verlaufen die Grenzen des Mediums gerade auch im Blick auf leistungsschwächere Schüler_innen an Sekundarschulen? Wie müsste Unterricht in der Zukunft anders gedacht und gestaltet werden, um eine inklusivere Holocaust Education ohne (rassistische) Ausgrenzungen zu ermöglichen?
(Text: Wochenschau Wissenschaft)
Dennis Bock, "Literarische Störungen in Texten über die Shoah. Imre Kertész, Liana Millu, Ruth Klüger", Peter Lang Verlag 2017
Der Begriff der Störung erfährt eine zunehmende Konjunktur in den Geisteswissenschaften und etabliert sich dort als epistemologische Analysekategorie. Diese Studie untersucht die Texte der Shoah-Überlebenden Imre Kertész, Liana Millu und Ruth Klüger systematisch auf ihr Störpotenzial und erweitert das Forschungsfeld um die sprechhandlungstheoretischen Konzepte "Wissen" und "Erwarten". Ein grundlegend störendes Potenzial entfalten die Erzählungen, weil sie von konkreten historischen Ereignissen zeugen und damit deren Vergessen entgegegenarbeiten. Die Untersuchung stellt u.a. am Beispiel des Muselmanns, der Repräsentation von sexuellem Tauschhandel oder der Kritik an KZ-Gedenkstätten heraus, wie die Texte narrativ verfestigte Kategorien in Bewegung bringen, Wissen infrage stellen und gegen gesellschaftliche Diskurse ihrer Zeit polemisieren. (Text: Peter Lang Verlag)
Katrin Hammerstein, "Gemeinsame Vergangenheit - getrennte Erinnerung? Der Nationalsozialismus in Gedächtnisdiskursen und Identitätskonstruktionen von Bundesrepublik Deutschland, DDR und Österreich", Wallstein Verlag 2017
Nach dem Ende der NS-Diktatur entstanden aus der Konkursmasse des »Dritten Reichs« drei Staaten, die sich sehr unterschiedlich zum gemeinsamen Erbe der NS-Vergangenheit positionierten: Österreich erklärte sich zum ersten Opfer des Nationalsozialismus, während die DDR sich auf den antifaschistischen Widerstandskampf berief. Die Bundesrepublik wiederum übernahm zumindest offiziell die Verantwortung. Katrin Hammerstein vergleicht erstmals umfassend die drei Nachfolgestaaten des »Großdeutschen Reichs« in ihrem Umgang mit der NS-Geschichte. Dabei geht ihre Untersuchung durch eine transnationale, auf Wechselwirkungen gerichtete Perspektive über eine rein vergleichende Bewältigungsforschung hinaus. Die Vergangenheitsaufarbeitungen von Bundesrepublik, DDR und Österreich werden direkt in Beziehung zueinander gesetzt. Im Zentrum stehen die öffentlichen Geschichtsbilder vom Nationalsozialismus und deren sich vor allem seit den 1980er Jahren vollziehende Transformation und allmähliche Angleichung aneinander bzw. an das westdeutsche Narrativ. Gezeigt wird: Die gemeinsame Vergangenheit des Nationalsozialismus wurde in Teilen auch zu einer gemeinsamen und transnational verflochtenen Erinnerung. (Text: Wallstein Verlag)
Henning Fischer, " Überlebende als Akteurinnen - Die Frauen der Lagergemeinschaften Ravensbrück: Biografische Erfahrung und politisches Handeln, 1945 bis 1989", UVK Verlagsgesellschaft 2017
Henning Fischer stellt die Lebensgeschichten von kommunistischen deutschen Überlebenden des Frauen-Konzentrationslagers Ravensbrück bei Berlin vor. Unmittelbar nach ihrer Befreiung und dem Ende des National-sozialismus gründeten diese Frauen ihre Lagergemeinschaft als gemeinsamen sozialen und politischen Verband. Ausgehend von der biografischen Prägung der zentralen Protagonistinnen in der kommunistischen Bewegung der Weimarer Republik wie im Widerstand gegenden Nationalsozialismus zeichnet diese Kollektivbiografie in Collageform die Themenfelder, politischen Absichten, Erfolge und Niederlagen der Lagergemeinschaften in DDR und BRD bis in die 1990er Jahre nach. So werden die Überlebenden als Akteurinnen ihres eigenen Lebens und der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts sichtbar. Für die Frauen der Lagergemeinschaften, das macht ihr Handeln in fünf Jahrzehnten nach 1945 klar, stand die politische Gegenwart immer auch im Lichte der Vergangenheit – im Lichte Ravensbrücks.
(Text: UVK Verlagsgesellschaft)
Julia Noah Munier, "Sexualisierte Nazis - Erinnerungskulturelle Subjektivierungspraktiken in Deutungsmustern von Nationalsozialismus und italienischem Faschismus", transcript Verlag 2017
Sexualisierte Nazifiguren sind Teil eines fortwährend erweiterten kulturellen Bildrepertoires, das in (audio-)visuellen Repräsentationen von Nationalsozialismus und der Shoa zum Einsatz kommt. Julia Noah Munier verfolgt dieses in der Forschung bisher vernachlässigte Muster bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts zurück und zeigt, wie es nach 1945 bis heute immer wieder bedient wird.
Sie richtet die Aufmerksamkeit auf eine Verdichtung von ähnlich strukturierten Figuren über mediale Grenzen hinweg zu spezifischen Deutungsmustern. Im Fokus stehen die subjektivierenden Effekte dieser Darstellungsmuster, in denen Täter und Täterinnen des Naziregimes wie des italienischen Faschismus als ganz Andere, als deviant erscheinen.
(Text: transcript Verlag)
Katja Kosubek: "Genauso konsequent sozialistisch wie national - Alte Kämpferinnen der NSDAP vor 1933", Wallstein Verlag, 2017
Katja Kosubek editierte für ihre Arbeit 36 Lebensberichte früher Nationalsozialistinnen. Verfasst wurden diese Zeitzeugnisse im Jahre 1934 im Rahmen eines vermeintlichen Aufsatzwettbewerbs. Sie zeigen die unterschiedlichen Motivationen und Kontexte, aus denen heraus sich diese Frauen vor dem Hintergrund ihrer zeitgeschichtlichen Erfahrungen vom Nationalsozialismus angezogen fühlten, ja sogar große Hoffnungen in ihn setzten. Die Quellen zeigen damit Mechanismen auf, die zur politischen Entwicklung von der Weimarer Republik hin zum totalitären Regime des Dritten Reiches beigetragen haben.
Rezension von Christian Staas in der Zeit vom 05.07.2017
Petra Umlauf: "Die Studentinnen an der Universität München 1926 bis 1945. Auslese, Beschränkung, Indienstnahme, Reaktionen", DeGruyter Oldenbourg 2016
Die Entwicklung des Frauenstudiums und die Geschichte der Universität München im Nationalsozialismus erfahren mit dieser Arbeit eine substantielle Erweiterung. Auf Basis bislang außer Acht gelassener sowie eigenständig erhobener Quellen wird das Spannungsfeld zwischen staatlicher Hochschulpolitik und ihrer Auswirkung auf das Verhalten der weiblichen Studierenden an der LMU deutlich. Anhand der Frauen lässt sich das studentische Leben unter der NS-Herrschaft sowohl auf lokaler als auch auf Reichs- bzw. Länderebene beleuchten. Vor dem Hintergrund der zweitgrößten Universität des Reiches wird auf diese Weise erstmals nachgezeichnet, inwieweit sich das Verhalten und die Reaktionen der Studentinnen zwischen den Extremen Anpassung und Widerstand bewegten. Dabei beleuchtet die Studie Auslese, Beschränkung und Indienstnahme als drei zentrale Kategorien universitärer Herrschaftsprinzipien, welche im Dritten Reich eine durch rassenideologische und politische Kriterien definierte Elite formen sollten. Die wenigen bislang vorliegenden Erkenntnisse werden dabei profiliert und modifiziert. (Text: DeGruyter Verlag)